Workshop Identitäten – Lokalität – Sprachen, Donnerstag, 13.07.2017, 14-18 Uhr, B 301, Bismarckstr. 1

Im Rahmen des Arbeitsgesprächs sollen in zwei einander kommentierenden Sektionen zentrale Begriffe gegen­wärtiger kultureller Aushandlungsprozesse diskutiert werden. Dabei ist vor allem das Konzept Identität(en) nicht ohne Grund strittig: Gerade im Plural bezieht er sich häufig auf kollektive Inanspruchnahmen – etwa von nationaler oder ethnischer Gemeinschaft – und korrespondiert entsprechend eng mit benachbarten Konzepten wie Subjekt und Rolle. Der je vermittelte Prozess der individuellen und kollektiven Bildung von Identität durch Identifizierung ist dagegen prinzipiell differentiell und unabgeschlossen.

Umstritten kann entsprechend auch sein, ob die solchermaßen nur mit Einschränkungen mögliche Herstellung ‚fester‘ Identitäten überhaupt ein Ziel dieser prozessualen Identifizierungen sein kann und ob ihr etwa ein subversives Potential abzugewinnen ist. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive sind entsprechend konkurrierende Modelle von Identität und Iden­tifizierung besonders interessant, weil sie mit je unterschiedlichen Narrativen verbunden sind – etwa auch in zeithistorischen Romanen, die als gegeben oder geradezu ‚natürlich‘ beschreiben, was in der Perspektive der Geschichtsschreibung als Serie mehr oder weniger kontingenter Konzepte, Handlungen und Ereignisse analy­siert wird.

Als Lokalitäten können sowohl konkrete Orte als auch konzeptuelle Erscheinungen gefasst werden. Für den Workshop scheint es uns vielversprechend zu sein, mit der gegenwärtigen (literarischen) Diskussion deutscher und internationaler Identitätspolitiken eine konkrete Lokalität in den Blick zu nehmen: die (Post-)Ost­deutsche nach der historischen Zäsur der Jahre 1989/1990(1991). Es bleibt daher die Frage zu klären, welche Rolle Kontinuität und Wandel hier aus literarischer, politischer und historiographischer Perspektive spielen.

Da­bei ist es besonders spannend zu überlegen, ob die durch Erinnerungsfiguren des kollektiven und kommunikati­ven Gedächtnisses entstehende ‚ostdeutsche Identität‘ sich ein ‚Anderes‘ sucht, das sich weder im ‚Westdeut­schen‘ noch im ‚Bundesdeutschen‘ erschöpft, sondern womöglich in einer imaginierten und als fluide empfun­denen Globalität gesehen wird. Auch die Sprachen treten in diesem Zusammenhang ausschließlich pluralisiert auf. Dies hat zwei Gründe: So ist zunächst Sprache eine Lokalität, die als Identitätsmarker fungieren kann.

Über eine ‚Sprecher-‘ und ‚Sprachgemeinschaft‘ kann versucht werden, eine Identität zu konstruieren, die andere Identitätsmarker überdeckt. Dies ist eine klassische Strategie der nationalen Konstruktion, die als imagined community andere strukturelle Unterschiede (z.B. ‚soziale Unterschiede‘) ignoriert und dabei – wie in jüngsten politischen Debatten – Sprache zum zentralen Anker macht – ein Aspekt, der für Frage einer ‚ostdeutschen Identität‘ besonders interessant ist.

Zugleich ist Sprache aber auch die Bedingung der Möglichkeit, überhaupt in die Ordnung der Dinge einzutreten, zu partizipieren und Prozesse der Identifizierung zu vollziehen. Deutlich wird dies an der Problematik von Übersetzung zwischen Individuen der gleichen Sprache und zwischen unter­schiedlichen Sprachen, die zudem nicht als jeweils für sich abgeschlossene Einheiten konzipiert werden kön­nen. Das Verhältnis von Sprachen, Identitäten und Lokalität in literarischen und (zeit- )historischen Erzählungen bleibt entsprechend noch zu klären.

Mit Susan Arndt, Ilko-Sascha Kowalczuk, Stephan Pabst und Robert Stockhammer
Organisation: Matthias Kandziora, Cornelia Ortlieb

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